Worum geht es? Eine Studie hat den Umgang mit der Infektionskrankheit Diphtherie in Schweizer Asylzentren untersucht. Im Sommer 2022 kam es in mehreren Asylzentren zu Ausbrüchen der Krankheit. Betroffen war etwa das Bundesempfangszentrum für Asylsuchende in Basel. Die Studie zeigt: Der Umgang mit der Krankheit im Asylzentrum in Basel hat Lücken. «Der Diphtherie-Ausbruch verlief deshalb glimpflich, weil sich viele kompetente Leute aus verschiedenen Institutionen persönlich stark engagiert haben», sagt Niklaus Labhardt, Chefarzt und Departementsleiter am Universitätsspital Basel – und selbst an der Studie beteiligt.
Wo sind die Lücken? Labhardt ortet Mängel in verschiedenen Bereichen: Die engen Platzverhältnisse im Basler Zentrum liessen kaum Raum, um infizierte Patienten zu isolieren. Zudem ist das Betreuungspersonal grundsätzlich stark ausgelastet – vor allem wegen der psychischen Probleme der Asylbewerbenden. «Es kommt fast täglich zu Suizidversuchen», so Labhardt. Ausserdem habe eine digitale Dokumentation der Art und Anzahl Krankheitsfälle gefehlt, ein stets aktuelles Monitoring des Diphtherie-Ausbruchs sei so praktisch unmöglich gewesen.
Das BAG empfiehlt, allen Asylsuchenden im Fall eines unklaren Impfstatus umgehend Nachimpfungen anzubieten.
Ein konkretes Beispiel für die Mängel? Als 2022 im Bundesasylzentrum Basel der erste Diphtherie-Fall diagnostiziert wurde, ging es vier Tage, bis die wichtigsten Massnahmen umgesetzt werden konnten, wie Labhardt erläutert. Das grösste Problem aber sei gewesen, dass nicht einmal 20 Prozent der Asylbewerberinnen und -bewerber im Zentrum gegen Diphtherie geimpft gewesen seien. «Und dabei empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit, allen Asylsuchenden im Fall eines unklaren Impfstatus umgehend Nachimpfungen anzubieten.»
Wie sollte es optimal laufen? Im Asylbewerberzentrum werden alle ankommenden Personen als erstes medizinisch gecheckt. Dazu gehört, herauszufinden, ob gewisse Impfungen nachgeholt werden müssen. «Falls der Impfstatus unklar ist oder gewisse Impfungen fehlen, werden die entsprechenden Nachimpfungen auf der Stelle angeboten», so Labhardt. Es gehe dabei sowohl um die individuelle als auch um die öffentliche Gesundheit, indem die Gefahr von Epidemien gesenkt werde. Wichtig sei auch, dass die beim Check gewonnenen Informationen digital erfasst würden und später für die Gesundheitsbehörden jederzeit zugänglich seien.
Wie gross ist das Problem? Laut Labhardt stellt Diphtherie – dank der weit verbreiteten und sehr wirksamen Impfung in der Schweiz – grundsätzlich keine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Eine solche habe auch durch die Diphtheriefälle im Jahr 2022 in mehreren Asylzentren nicht bestanden. «So lange die Fälle früh erkannt, die Betroffenen isoliert und die Personen in ihrer Nähe früh geimpft werden, besteht keine Gefahr eines grösseren Ausbruchs.» Diese Basis an Gesundheitsversorgung müsse aber in jedem Fall sichergestellt werden, betont der Arzt.