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Spekulationen über Machtkampf Warum in Russland der Vizeverteidigungsminister in U-Haft steckt

Die überraschende Inhaftierung von Timur Iwanow löste Spekulationen über einen Machtkampf aus. Was da genau dran ist.

Das ist passiert: Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat am Dienstag Timur Iwanow, einen von zwölf Vize­verteidigungs­ministern, festgenommen. Das Moskauer Bezirksgericht wirft ihm die Annahme von Bestechungsgeldern in besonders grossem Umfang vor. Details wurden keine genannt. Im grössten Korruptionsfall des Landes seit Kriegsbeginn wurde auch ein mit ihm befreundeter Unternehmer verhaftet. Iwanow, der vorerst bis zum 23. Juni in Untersuchungshaft bleibt, bestreitet die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Plausible Begründung: Die offiziell wegen Korruption begründete Festnahme sei «absolut plausibel», sagt ARD-Russland-Korrespondent Frank Aischmann. Schon die Antikorruptionsstiftung des in Haft verstorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny habe Korruptionsvorwürfe gegen Iwanow geäussert. Gemäss verschiedenen Medienberichten kann Iwanow mit einer hohen Geldstrafe oder mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden.

Timur Iwanow

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Legende: EPA/RUSSIAN DEFENCE MINISTRY PRESS SERVICE HANDOUT

Der 48-Jährige hatte seinen Posten als stellvertretender Verteidigungsminister seit 2016 inne. Gemäss verschiedenen Medienberichten ist Iwanow für Immobilienfragen zuständig gewesen – unter anderem für die Organisation der Grundstücksverwaltung, den Bau militärischer Einrichtungen und Truppenunterkünfte oder auch die Unterbringung der medizinischen Versorgung der Streitkräfte. Er war auch für Bauvorhaben in der besetzten ostukrainischen Stadt Mariupol zuständig, die die russischen Streitkräfte während der Belagerung in den ersten Kriegsmonaten 2022 selbst völlig zerstört hatten. Gemäss Nawalnys Stiftung soll er auch persönlich von der Vergabe von Bauaufträgen profitiert haben.

Iwanow, ursprünglich Mathematiker, arbeitete zunächst jahrelang in der Energiebranche. Danach machte ihn Verteidigungsminister Sergei Schoigu 2012 – damals Provinzgouverneur der Region Moskau – zum stellvertretenden Regierungschef.

Gerücht 1: Erst der Anfang: Iwanows Inhaftierung löste Spekulationen über einen Machtkampf in der russischen Führung aus. Unter anderem wird gemutmasst, dass die Festnahme von Iwanow, einem engen Vertrauten von Verteidigungsminister Sergei Schoigu, erst der Anfang einer Rochade im Ministerium sein könnte. Denn in zwei Wochen, wenn Putin für eine weitere Amtszeit vereidigt wird, muss die Regierung zurücktreten und Putin die einzelnen Posten neu besetzen. Angesichts des aus russischer Sicht nicht erfolgreich verlaufenden Krieges in der Ukraine könne es sein, so Aischmann, «dass ein Signal an Schoigu gesendet wurde, nämlich: ‹Das war’s für dich›». Man könne das Argument aber auch umdrehen: Ein Stellvertreter Schoigus werde abgestraft, «um den eigenen Hinterhof als besenrein zu präsentieren», so Aischmann.

Ein Dorn im Auge Putins

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Präsident Putin hatte mehrmals ausschweifende Festlichkeiten angesichts der verlustreichen Kämpfe in der Ukraine kritisiert. Zudem hatte er vergangenen Monat den FSB – der Iwanow später festnahm – angewiesen, schärfer gegen Korruption bei der Beschaffung militärischer Güter vorzugehen. Die Nachrichtenagentur Tass berichtete, der Geheimdienst habe seit längerem gegen Iwanow ermittelt.

Gerücht 2: Timur Iwanow hat es übertrieben: Im Ukraine-Krieg wird gekämpft und gestorben, während Iwanow mit seiner Familie ein unbeschwertes Leben geniesst. «Vielleicht ist das ein Warnschuss an alle in ähnlichen Positionen», so Aischmann.

Gerücht 3: Hochverrat: Es wird auch gemunkelt, dass es sich bei den Korruptionsvorwürfen um Hochverrat handeln könnte. «Ein reines Gerücht», weiss der ARD-Korrespondent.

Ein Leben in Saus und Braus

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2022 prangerte die Antikorruptionsstiftung an, dass Iwanow und seine Familie einen verschwenderischen Lebensstil mit Ausgaben für Immobilien, luxuriöse Reisen und Designerkleidung führen würden.

«Er führte ein wirklich ausschweifendes Leben», sagt ARD-Korrespondent Aischmann. Er habe teure Urlaube in Europa gemacht, teuren Schmuck sowie Kleidung, Wohnungen, Autos, Häuser und Grundstücke in und bei Moskau gekauft. Das alles gebe der Posten als stellvertretender Verteidigungsminister nicht her.

Die Antikorruptionsstiftung von Nawalny war von Russlands Regierung zu einer extremistischen Organisation erklärt und verboten worden.

Gerücht 4: Zu gierig auf Prigoschins Erbe: Ausserhalb Russlands wird derzeit das Erbe des getöteten Chefs der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, verteilt, zum Beispiel Anteile an Minen und andere Besitztümer. «Vielleicht hat Iwanow die Hände zu fest ausgestreckt», sagt Aischmann.

Krieg in der Ukraine

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Gerücht 5: Einem Machtkampf ausgeliefert: Es könne aber auch sein, dass der traditionell geführte Kampf zwischen dem FSB und dem Militär eskaliert sei, mutmasst Aischmann. Der Geheimdienst habe Schwierigkeiten zu argumentieren, warum er den Terroranschlag bei Moskau nicht habe verhindern können. «Vielleicht war das Verteidigungsministerium in der Balance zu sehr gestärkt», so Aischmann.

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Aus Tagesschau vom 23.04.2024.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 31 Sekunden.

SRF 4 News, 26.04.2024, 07:41 Uhr;

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